Dekorierte Kunststoffbauteile – Recycling machbar?
Fürth, 03. Juni 2020: Die Kunststoffindustrie steht wegen des Kunststoffmüllproblems stark unter Druck. Kunststoffhersteller und -verarbeiter sind gefordert, schnell wirksame Konzepte zur Rückführung der Materialien in den Wertstoffkreislauf auszuarbeiten. Zahlreiche Unternehmen haben bereits effektive Recyclingkonzepte entwickelt und die Recyclingquote erhöht. Kann die Recyclingfähigkeit durch das Aufbringen von Dekor- oder Schutzschichten verloren gehen? Werden Monomaterialien durch Beschichtungen zu Verbundstoffen, sodass sie nicht mehr mechanisch recycelt werden können? Dann wären alle Anstrengungen umsonst. Weil die Industrie hierüber Klarheit benötigt, hat ein Hersteller von Transferveredelungen diese Fragestellungen untersucht.
Verpackungen schnelllebiger Verbrauchsgüter müssen entsprechend länderspezifischer Verordnungen gesammelt und nach Möglichkeit der Kreislaufwirtschaft wieder zugeführt werden. In Deutschland werden die Verpackungen vom Verbraucher im Gelben Sack oder der Gelben Tonne gesammelt und von Recyclingunternehmen sortiert und verwertet. Ob die grundsätzliche Recyclingfähigkeit eines Kunststoffs bei dekorativer Transferveredelung erhalten bleibt, hängt von zwei Faktoren ab: Zum einen darf die Transferveredelung die Prozesse des Recyclingunternehmens nicht behindern. Die Verpackungen werden in der Regel sortiert, gemahlen, gewaschen und extrudiert. All dies muss störungsfrei möglich sein. Zum anderen muss das hieraus entstandene Extrudat die gleiche Qualität aufweisen wie ein Rezyklat aus nicht beschichtetem Monomaterial.
LEONHARD KURZ, Fürth, hat ein unabhängiges, auf die Klassifizierung, Begutachtung und Testierung der Recyclingfähigkeit von Verpackungen und Waren spezialisiertes Institut beauftragt, ein mit KURZ-Transferveredelung dekoriertes Prüfmuster hierauf zu testen. Das Institut hat einen umfangreichen Anforderungs- und Bewertungskatalog zur EU-weiten Zertifizierung erstellt, anhand dessen die Recyclingfähigkeit von Produkten geprüft wird. Der eingereichten kleinen PP-Flasche mit silberner Beschichtung wurde von dem Institut eine hundertprozentige Recyclingfähigkeit attestiert.
Störfreies Sortieren und Rückführen
Wertstoffe wie der eingereichte PP-Behälter werden in Sortieranlagen mit Nahinfrarot (NIR) getrennt. Deshalb ist die Identifizierbarkeit im NIR eine zentrale Voraussetzung für die Sortierbarkeit der Materialien. Um zu verifizieren, dass die Transferveredelung keine Störstelle im Sortierprozess darstellt, wurden unterschiedliche Kunststoffprodukte mit verschiedenen Transferveredelungen hinsichtlich ihrer Sortierbarkeit untersucht. Kunststoffprodukte mit einer Oberflächenbedeckung von bis zu 65 Prozent konnten problemlos identifiziert werden. Bei metallisierten Transferveredelungen sollte die Dekoration diese prozentuale Flächenbelegung nicht überschreiten, um die Recyclingfähigkeit zu gewährleisten. Im Falle nicht metallisierter Transferveredelungen sind sogar noch höhere Oberflächenbedeckungen möglich.
Neben der Sortierfähigkeit wurde die Beschaffenheit des aufbereiteten Materials ausführlich betrachtet. Beim Untersuchen des Schmelzverhaltens des entstandenen Rezyklats wurden keine abtrennbaren Verunreinigungen festgestellt. Aktuell arbeitet das Fürther Unternehmen mit einer unabhängigen Organisation daran, mit weiteren Belegen zu verifizieren, dass das Material mittels gängiger Recyclingtechnologien wiederaufbereitet werden kann und zu einem qualitativ hochwertigen Rezyklat führt.
Langlebige technische Güter
Die Sammlungs- und Sortiermechanismen, welche für Konsumgüter aus Kunststoff vorgestellt wurden, sind für technische Produkte nicht gültig. In der Regel werden technische Kunststoffe länger eingesetzt als Konsumgüter, weshalb auch Alterungserscheinungen im Kunststoff mehr zum Tragen kommen. Das mechanische Recycling für diese Produkte ist deshalb oftmals schwieriger, da der Kunststoff schon deutlich abgebaut hat. Aus diesem Grund werden technische Bauteile am Ende ihres Lebenszyklus häufig thermisch verwertet. Dagegen wird Ausschuss, welcher beim Herstellen anfällt, meist über mechanisches Recycling dem Stoffkreislauf wieder zugeführt. Um sicherzustellen, dass eine Transferveredelung den Prozess des mechanischen Recyclings nicht stört, hat das Unternehmen eine umfangreiche interne Studie durchgeführt. Geprüft wurden Spritzgießteile, die im effizienten In-Mold-Decoration-Verfahren (IMD) während des Spritzgießprozesses vollflächig dekoriert worden waren.
Für die Studie wurde ein dekoriertes Bauteil aus PC/ABS (Polycarbonat/Acrylnitril-Butadien-Styrol) zu Mahlgut verarbeitet, das eine ähnliche Körnung wie Granulat aufweist. Aus dem Mahlgut wurden neue IMD-beschichtete Spritzgießteile gefertigt. Diese Teile wurden erneut zu Mahlgut verarbeitet und im Spritzguss IMD-beschichtet. Der Vorgang wurde insgesamt viermal wiederholt, sodass das zuletzt gefertigte Bauteil vierfach wiederverwendetes Material enthielt. Hierbei wurden alle Testläufe mit 100 Prozent Rezyklat durchgeführt. Dadurch wurden deutlich schwerere Testbedingungen geschaffen, als es bei vergleichbaren realen Wiederverwertungsprozessen aktuell üblich ist. Nach jedem Durchgang wurde ein Teil des Mahlguts zurückgehalten und im Anschluss an die Versuche verschiedene Mischungen mit Neuware sowie 10 und 25 Prozent Mahlgut hergestellt.
Mechanische Eigenschaften nahezu unbeeinflusst
Anschließend wurde die Studie vollumfänglich mit undekorierten Bauteilen durchgeführt, um einen exakten Vergleich zwischen den mechanischen Eigenschaften beider Materialien zu erhalten. Das Ergebnis: Bei einer in der Industrie gängigen Rezyklatbeimischung von 10 oder 25 Prozent bleibt die Kreislauffähigkeit des dekorierten Kunststoffteils erhalten. Es besteht hinsichtlich der mechanischen Eigenschaften kein relevanter Unterschied zu wiederverwertbarem, unbeschichtetem Monomaterial.
Repräsentativ für die mechanischen Eigenschaften wurde die Kerbschlagzähigkeit für die 10- und 25-prozentigen Mischungen getestet. Die Resultate beider Materialien mit Rezyklatanteil wichen in allen vier Testdurchläufen nur unwesentlich voneinander ab.
Optische Güte vergleichbar mit Neuware
Untersucht wurden in der Studie auch die optische Qualität, die Oberflächenbeschaffenheit und der Glanzgrad der dekorativen Transferveredelung. Auch hier war das Ergebnis eindeutig: Die erzeugte Oberflächenqualität der dekorierten Bauteile mit Rezyklat ist von dekorierter Neuware nicht zu unterscheiden. Dieses Ergebnis blieb über alle vier Testzyklen erhalten. Auch nach mehrfacher Beimischung von Rezyklat wurde ein einwandfreies Dekorationsergebnis erzielt. Zusätzlich konnten in die Transferveredelung oberflächenschützende Funktionen wie Kratz-, Abrieb- oder UV-Beständigkeit eingearbeitet werden. Auch in dieser Hinsicht waren gegenüber der Transferveredelung von Neuware keine Abstriche nötig.
Recyclingfähigkeit bleibt erhalten
Dass Oberflächendekoration und Recycling nicht nur beim klassischen IMD-Verfahren miteinander vereinbar sind, demonstrierte KURZ auf der K 2019 gemeinsam mit dem Maschinenhersteller Engel. Am Engel-Stand wurde in einer Liveanwendung ein mit KURZ-Dekoren versehener Kunststoff als Rezyklat eingesetzt und im IMD-Varioform-Prozess zu einem hochwertig dekorierten Bauteil verarbeitet.
Beim patentierten IMD-Varioform-Verfahren werden Bauteile in einem Schritt umgeformt, hinterspritzt, dekoriert und gestanzt. Die dekorative Beschichtung benötigt bei diesem Prozess ein Backingmaterial. Der Dekorhersteller stimmt die Backingfolie auf das Substrat so ab, dass das fertige Spritzteil aus mechanisch recycelbarem Monomaterial besteht.
Der in der Messeanwendung verarbeitete Werkstoff wurde per Mucell-Technologie geschäumt. Die Mucell-Verarbeitung macht Bauteile leichter und spart Material, kann aber zu Einbußen in der Optik und Oberflächengüte führen. Das am Messestand gefertigte und dekorierte Teil war optisch und haptisch einwandfrei und zeigte, dass das Ein-Schritt-Verfahren IMD-Varioform sowohl mit Recycling- als auch mit Leichtbautechnologie kombinierbar ist.
Eine Sorge weniger
Ultradünne Transferveredelungen beeinflussen bei geeignetem Design die Sortierbarkeit von Kunststoffmüll nicht. Auch die mechanische Recyclingfähigkeit von Monomaterialien bleibt bei der Dekoration mit diesen Schichten erhalten, unabhängig davon, ob sie im Heißpräge-, IMD- oder IMD-Varioform-Prozess übertragen wurden.
Für Hersteller von Kunststoffverpackungen oder -bauteilen ist es wichtig, schon bei der Projektplanung auf Design for Recycling zu achten. Dies ermöglicht, Oberflächendesign und verwendete Materialien so aufeinander abzustimmen, dass ein störungsfreies Recycling gewährleistet ist. Wird dieser Aspekt bereits bei der Teileentwicklung berücksichtigt, so können sich die Hersteller darauf verlassen, dass die Dekoration ihre Anstrengungen um höhere Recyclingquoten nicht behindert.